Die Schlossbibliothek von Peralada
Peralada ist nicht nur ein Ort der Zerstreuung mit Casino oder Golfplatz, es beherbergt auch im ehemaligen Karmeliterkloster einen Ort der Kultur, der Stille.
Dort befinden sich das Schlossmuseum, ein Weinmuseum, die Kirche und eine der bedeutendsten und wertvollsten privaten Bibliotheken der Welt. Mit dieser wollen wir uns beschäftigen.
Die Bibliothek in Peralada wurde während der gräflichen Vergangenheit des Ortes gegründet. Sie befindet sich im Karmeliterkloster aus dem vierzehnten Jahrhundert, dort, wo einst die Mönchszellen und die Hauptwohnung des Abtes ihren Platz hatten.
Im 19. Jahrhundert ging das Schloss und das Kloster in den Besitz der Familie Rocaberti über. Antoni de Rocaberti, Graf von Zavella, und Tomas de Rocaberti, Graf von Peralada und bis dahin spanischer Botschafter in Paris, lebten fortan ständig in Peralada und gründeten die Bibliothek im Jahr 1888. Sie unterhielten dort ebenfalls eine Schule für Theater und Musik; diese glückliche Epoche endete aber Ende des neunzehnten Jahrhunderts mit dem Tod der beiden Brüder, die keine Nachfahren hinterließen.
Bis ins Jahr 1923 blieb der Besitz ohne Besitzer und schien dem Verfall geweiht, bis Miquel Mateu im Jahr 1923 den gesamten Komplex übernahm. Er unternahm sofort aufwendige Restaurierungsarbeiten, gab der Bevölkerung des Dorfes Arbeit und kümmerte sich um den Fortbestand der Bibliothek. Damals umfasste diese 20.000 Werke, heute sind dort über 70.000 Bücher zu besichtigen, viele davon, wenn nicht die meisten, von unschätzbarem Wert. Fand sich Mateu, Sammler aus Passion, zu einem offiziellen Essen ein, so nahm er selbst die Menükarte mit und archivierte sie in der Bibliothek.
Eine besonders große Leidenschaft entwickelte Mateu für die Ausgaben von “Don Quichote” des Nationaldichters Miguel de Cervantes. Über 1000 “Don Quichotes” sind unter den Schätzen der Bibliothek, selbst aus so entfernten Ländern wie dem einstigen Russland.
Unterstützt wurde Mateu durch den Archivar Marti Costa. Dieser, Arbeiter und einfacher Mann aus dem Volk, eignete sich als Autodidakt sämtliches Wissen über bibliothekarische Techniken an und führte das Archiv bis ins Jahr 1985.
Die Bibliothek befindet sich im Südostteil des Klosters; zwei Säle sind der Bibliothek gewidmet, zwei dienen als Archiv.
Die Auswahl der in der Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglichen Bücher geschieht nach Themen (Geschichte, Kunst, Gebräuche) und nach Wert und Seltenheit der Exemplare. Einige Gattungen sind ausgespart, ohne deren Wichtigkeit in Frage stellen zu wollen: Bibeln, Bücher über Musik oder Kinderbücher.
Zu den wertvollsten Exemplaren der Bibliothek zählen rund 200 Titel aus dem Beginn der Buchdruckerkunst im 15 Jahrhundert. Erinnern wir uns: Die Geschichte dieser Kunst begann etwa im Jahr 1455 in Mainz: Johannes, Sohn des Patriziers Friele Gensfleisch, nach seinem Haus “zum Gutenberg” genannt, erfindet den Druck mit beweglichen Lettern. Die erste Druckerei in Italien etabliert sich im Jahr 1463, in Frankreich 1470, und in Spanien (Valencia) im Jahr 1473.
Die Bibliothek von Peralada beherbergt aus dieser Zeit Werke, die in Basel, Venedig, Rom, Florenz, Neapel, Nürnberg, Augsburg, Köln, Paris, Lyon und Ulm hergestellt wurden. Das älteste vorhandene Buch trägt den Titel “Sermons de Robertus Caracciolus” und wurde von Francisco de Formis im Jahre 1472 in Venedig gedruckt. Die Themen dieser Werke sind meist religiöser Art: “Malleus Maleficarum” von Erich Institor, Nürnberg 1494-97, “Practica” von Joannis Miquel Savonarola, Venedig 1497. Und die berühmte “Cosmographie” des Claudio Ptolemee aus dem Jahr 1492, eines der am aufwendigsten illustrierten Bücher der Bibliothek, mit Weltkarten, die noch nichts von der Existenz der “neuen Welt” Amerika
wussten. Auch das “Tiber Chronicarum” gedruckt von Hartmann Schedel 1493 in Nürnberg, fasziniert durch sein Format und seine Kupferstiche.
Bestandteil der Bibliothek sind weiterhin 1300 Manuskripte, 800 davon befassen sich mit dem Adel: Stammbäume, Verträge, auch Steuererleichterungen; allesamt von unschätzbarem Wert für die Geschichtsschreibung. Sie sind oft auf Pergament, aber auch schon auf Papier abgefasst und in Leder oder Stoff gebunden. Wir finden hier die wichtigsten Familien des katalanischen Adels vertreten; das älteste Manuskript wurde von König Juan von Kastilien im Jahre 1460 der Familie Mayoras zugeteilt.
Eine korrekte Aufzählung des Bestandes der Bibliothek würde unseren Rahmen sprengen, aber wir wollen nicht die Sektion der einst von der Zensur verbotenen Bücher vergessen. Zum Beispiel das die Königin MarieAntoinette diffamierende Buch mit dem Titel “Essais historiques sui la vie de Marie-Antoinette d’Autriche, reine de France” (historische Studien über das Leben der Marie-Antoinette von Osterreich, Königin von Frankreich), publiziert (wahrscheinlich) in London im Jahr 1789. Wahrscheinlich? Oft wurden Bücher, deren Inhalt entweder den geistlichen oder weltliche hohen Herren zu missfallen drohten, mit absichtlichen Fehlern versehen, um den Eindruck zu erwecken, das Buch sei im Ausland gedruckt worden…
Die zensierten Bücher beschäftigen sich mit diversen Themen: Literatur wie etwa die Fabeln von La Fontaine, Religiöses mit ketzerischem Inhalt oder aber anatomische Illustrationen, die als obszön qualifiziert wurden.
Die Bibliothek in Peralada zeigt uns nicht nur Bücher aus allen vier Ecken Europas, sie erinnert uns auch an unsere kulturellen Wurzeln; und dem Bibliophilen vermittelt sie einen Eindruck von Schönheit und Würde, der an sich schon unbezahlbar ist.
Wir empfehlen unseren Lesern in jedem Fall uneingeschränkt die Führung in Peralada, auch (oder besonders) mit Kindern oder Halbwüchsigen: Nur Shows und blödes Gerede im Fernsehen, das kann doch nicht alles sein im Leben.
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