Dalí, das Genie aus Cadaqués

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John Peter Moore erinnert sich an seine Zeit mit Salvador Dalí, Interview aus dem Jahr 1998

Bezeichnet man Picasso als den “bekanntesten” Künstler XX Jahrhunderts und Marc Chagall als den “beliebtesten”, so gebührt Salvador Dalí ohne Zweifel der Titel “bedeutendster Künstler XX Jahrhunderts”. 1,25 Millionen Besucher in nur vier Monaten im Centre Pompidou in Paris, Auktionspreise, die kein anderer lebender Künstler je erzielt hatte, nicht enden wollende Besucherschlangen vor dem Dalí-Museum in Figueres, all das spricht eine beredte Sprache.

CapCreus online sprach mit Captain John Peter Moore, der früher Dalí managte und ihn zum reichen Mann machte. Moore blickt auf ein erfülltes Leben voller Abwechslungen zurück: Ire von Geburt und in Frankreich erzogen, lernte er als britischer Geheimdienstler etwa Churchill und Roosevelt kennen. Von de Gaulle persönlich zum Offizier der Ehrenlegion ernannt, arbeitete er später in Rom als Chef von London Films mit der ersten Garde der Filmwelt: Rosselini, Orson Welles, de Sica, David Lean… und mit Stars wie James Mason, Laurence Olivier oder Grace Kelly. “Aber”, so Captain John Peter Moore, “die Zeit mit Dalí war zweifelsohne die interessanteste Zeit in meinem Leben. Wir sahen uns praktisch täglich, verbrachten den Sommer in Cadaqués und den Winter in New York. Dalís Frau Gala liebte den Winter dort, als Russin brauchte sie die winterliche Kälte. Dalí ist kein katalanischer Name. Ich vermute, daß seine Vorfahren Zigeuner waren und im Fort von Figueres Pferde betreuten. Seine Herkunft war für Dalí allerdings absolutes Tabuthema. Sein Großvater lebte dann schon in Cadaqués und ließ Dalís Vater Notar werden. Das erstaunte die Leute in Cadaqués ziemlich, denn das Studium dauerte sieben Jahre und war dementsprechend teuer. Dalís Vater war dann zu seiner Zeit der einzige Notar in Figueres und wußte deswegen ziemlich viel über die Leute. Er wurde sehr wohlhabend, war aber auch ein ziemlicher Exzentriker. Der erklärte Wunsch des Notars und bekennenden Atheisten – das war zu dieser Zeit geradezu eine Ungeheuerlichkeit – war, daß sein Sohn einmal das Notariat übernehmen sollte. Er kannte das Talent seines Sohnes zum Künstler durchaus an, war aber überzeugt, daß damit kein Geld zu verdienen sei. Der junge Dalí allerdings blieb standhaft: >Papa, ich will doch nicht in einem Büro versauern und ständig Unterschriften leisten.< Anekdote am Rande: Später, als er Tausende von Lithographien signierte, seufzte Dalí: >In seinem ganzen Leben hatte mein Vater nie so viele Unterschriften geleistet.<

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Salvador Dalí war für eine Karriere als Künstler ausgezeichnet präpariert. Er wurde von Salesianern erzogen, besaß ein enormes Vokabular im Französischen und genoß fünfzehn Jahre lang Kunstunterricht. Zuerst in Figueres, dann in Girona, später in Barcelona und Madrid. Dort lernte er spätere Freunde, etwa den Regisseur Lluis Bunuel und den Dichter Federico Garcia Lorca kennen. Von seinen Professoren hielt er allerdings herzlich wenig; sie taugten allesamt nicht viel, meinte er. Dalí hätte ebenso Regisseur werden können, Schriftsteller oder Bildhauer, aber er hatte sich eben für die Malerei entschieden. Er war allerdings wenig motiviert und wäre wohl ein Provinzmaler geblieben, wäre nicht Gala in sein Leben getreten. Gala kam mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Paul Eluard, nach Cadaqués, um den Sommer zu verbringen. Paul Eluard hatte ständig Frauengeschichten, aber auch Gala war kein Kind von Traurigkeit. Zeitweise verband sie eine “menage á trois” mit Eluard und Max Ernst. Paul Eluard verließ Cadaqués wegen eines galanten Rendezvouz, Gala blieb bei Dalí, zum Entsetzen seiner Familie: Eine zehn Jahre ältere Frau, Russin und auch noch geschieden, das war selbst dem atheistischen, exzentrischen Vater zu viel. Er stellte die Zahlungen ein. Und Dalís Schwester zeigte Gala bei der Guardia Civil als Hure an. Das hatte zwar keine gravierenden Folgen, aber Dalí sprach nie mehr mit seiner Schwester. Gala war sowohl von ihrer Herkunft als auch von der Ehe mit Paul Eluard ein Leben in Luxus gewöhnt. Sie kam keineswegs als arme Frau zu Dalí, sondern brachte aus der Ehe reichlich Möbel, Schmuck und Kleidung mit. Dalí und Eluard sind trotzdem Freunde geblieben. Im klassischen Sinn wurde die Ehe von Gala und Dalí allerdings nie vollzogen. Der Ehemann war ein Voyeur, die Ehefrau brauchte ständig junge Männer. Das paßte zusammen. Gala war mondän, extravagant, sie kannte die weite Welt und wußte sich darin zu bewegen. Sie liebte den Luxus, liebte Dalí und Dalí liebte sie. Ihr Gatte sollte ebenso berühmt und reich werden wie sein Vorgänger. Allerdings gab es noch eine Frau in Dalís Leben: Nanita, verheiratete Kalaschnikow, ein Dior-Mannequin. Ihr Vater hatte als Schriftsteller über 2000 Groschenromane geschrieben. Als Dalí erfuhr, daß Nanita krank war, betete er drei Stunden in der Kirche von Cadaqués. Dalí war religiös und keineswegs antiklerikal, wie manches Mal behauptet wird. Mit Gala begannen die Reisen. Erste Verkäufe in Paris folgten, finanziell noch nicht so interessant, aber an wichtige, einflußreiche Leute. Jean Cocteau, der noch nie in seinem Leben ein Bild gekauft hatte, erstand einen Dalí und schenkte ihn Picasso. Bei ihrer ersten Reise nach New York nahmen Gala und Dalí dort die erste Mahlzeit mit dem Herzog von Windsor und seiner Frau Wallis Simpson ein. Will man Bilder teuer verkaufen, ist es eben besser, man kennt den Herzog von Windsor als einen Erdnußhändler… Dalí mußte verkaufen, denn Gala brauchte Geld. Dalí selbst hatte zum Geld ein eher gleichgültiges Verhältnis. Er hatte lediglich kapiert, daß man die Nähe der Macht suchen muß, wenn man weltberühmt werden will. Und wo die Macht ist, ist auch das Geld. Eine Episode verdeutlicht das Verhältnis des Künstlers zu den Dollars: Dalí wollte in New York von seinem Hotel zu einem anderen Hotel und brauchte Geld für das Taxi. Gala gab ihm hundert Dollar. Dort angekommen, rief Dalí Gala an und beschwerte sich, er habe kein Geld mehr, um das Taxi für den Rückweg zu bezahlen. Gala meinte konsterniert, er solle eine Taxifahrt bezahlen und kein Taxi kaufen. Des Rätsels Lösung? Der Zähler im Taxi hatte 1.00 angezeigt, einen Dollar. Dalí hatte dem sicher hocherfreuten Taxifahrer seinen Hunderter gegeben.” Captain John Peter Moore begann dann ab 1962 offiziell für Dalí zu arbeiten. Dieser war zu dem Zeitpunkt zwar schon sehr bekannt, aber keineswegs ein reicher Mann; das sollte sich jedoch bald ändern. Als Moore und Dalí sich trennten, war letzterer rund 32 Millionen Dollar schwer. John Peter Moore: “Der Einstieg in den Kunsthandel war für mich nicht allzu schwierig. Ich kannte die Filmwelt, diese war überwiegend jüdisch, und ebenso verhielt es sich mit der Kunst… Für den weltweiten Erfolg Dalís waren drei Faktoren ausschlaggebend: Sein enormes Talent, Galas Einfluß und nicht zuletzt, sein enormer Fleiß gepaart mit Schaffenskraft. Wir sahen uns eigentlich fast jeden Tag. Oft kam ich um neun Uhr morgens vorbei, da stand Dalí vor der Staffelei, den Pinsel in der Hand. Abends um neun die gleiche Szene, Farben lagen überall herum… Und Gala schäumte; sie hatte sich fein gemacht und wollte ins Spielkasino, sie spielte nämlich gerne, aber in vertretbaren Maßen. Doch Dalí war nicht von seinem Werk loszureißen. Dann spielte natürlich die Exzentrik des Paares auch eine ziemliche Rolle. Irgendwie zogen sie außergewöhnliche Ereignisse wie ein Magnet an. Eines Tages informierte mich in New York der Hotelportier, daß eine Frau Gala sprechen wolle, ohne ihren Namen zu nennen. Es war Josef Stalins Tochter, Swetlana. Gala war die Geschichte zwar nicht ganz geheuer, aber sie empfing Swetlana, nachdem sie sich zurecht gemacht hatte.

Ohne diese Routine zeigte sie sich nie in der Öffentlichkeit. Anzumerken ist, daß Gala an sich ein eher öffentlichkeitsscheuer Mensch war, obwohl sie sich ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit befand. Eigentlich merkwürdig. Sie sprach auch kaum Spanisch, und ihr Katalanisch reichte gerade aus, um die Hausangestellten zu instruieren. Dalís und Galas gemeinsame Sprache war das Französische…

Und nun zurück zu Swetlana. Sie überfiel Gala förmlich mit einem Schwall russischer Worte: Gala bat sie, Französisch zu sprechen, da sie schon zu lange aus Rußland weg und der Sprache nicht mehr ganz mächtig wäre. Was ihre russischen Sprachkenntnisse betraf, war dies nicht richtig. Sie wollte lediglich, daß ich der Konversation folgen konnte. Es stellte sich heraus, daß Swetlana Stalin Gala wegen eines Problems aufgesucht hatte und nur einer Landsmännin Vertrauen schenken wollte, einer Russin. Sie hatte von einem amerikanischen Buchverlag eine Million Dollar für ihre Memoiren erhalten und wußte nicht, was sie damit anfangen sollte. Sie wußte es einfach nicht. Ich habe das Geld dann in Liechtenstein für sie plaziert. Galas Frage, warum Swetlana eigentlich Rußland verlassen hatte, beschreibt die tragischen Umstände ihres Lebens. Swetlana, mit vierzig Jahren immer noch eine schöne Frau, sagte wörtlich: >Mein Vater hatte meine Mutter getötet, und er wollte auch mich töten.< Swetlana Stalin hat ihr Leben dann als Wanderer zwischen den Welten des Kapitalismus und des Kommunismus verbracht. Sie heiratete in Amerika einen Architekten, kam aber mit dem Kapitalismus nicht zurecht, ging wieder nach Rußland zurück und kam mit dem Kommunismus nicht mehr zurecht. Heute lebt sie in England. Geschichten, Geschichten um Gala und Dalí, um Dalí und Gala, sie sind unter anderem Thema eines Buches, das ich gerade fertigstelle und das in etwa 800 Seiten stark sein wird. Es wurde viel über das Paar geschrieben und es wird noch viel geschrieben werden… Vieles ist gut oder akzeptabel, aber mehr noch einfach schlecht und oft unwahr. In jeden Fall kann ich dem Kunstinteressierten Dalís eigenes Buch “ma vie secrete”, “mein geheimes Leben” empfehlen. Warum wir uns schließlich getrennt haben, Dalí und ich? Ich hatte eine ziemlich langwierige Operation in Paris und die Rekonvaleszenz war ebenfalls von Dauer. Dalí brauchte jemand Anderen, der sich um seine Geschäfte kümmerte; ob er eine gute Wahl getroffen hatte, wage ich zu bezweifeln. Ich hatte Salvador Dalí als reichen Mann verlassen, als er starb, war er verschuldet. Und ich fand aber auch: So eine lange Zeit mit einem Genie zu verbringen, ist ein Geschenk des Schicksals, aber eben auch sehr anstrengend. Ich hatte immerhin die Zeit seiner Hochkreativität mit ihm verbracht. Siebzigjährig, und bis dahin bei bester Gesundheit, unterzog sich Dalí ebenfalls einer Operation, die leider fehlschlug. Dalí baute dann mental und physisch Tag für Tag ab. Dies als “tragisches Ende” zu bezeichnen, so wie dies eine Fernsehdokumentation in letzten Jahr in ziemlich spektakulärer Weise tat, halte ich trotzdem für unappetitlich. Ich finde, daß die Dokumentation Anti-Dalíanisch war und, leider, einem Trend der Medien folgte: Um des Verkaufes willen, selbst wider besseres Wissen, Dinge negativ darzustellen. Schade. Und ungerecht. Millionen von Menschen werden im nächsten Jahrhundert oder Jahrtausend Dalís Werk zu schätzen wissen. Ganze Künstlergenerationen davon profitieren…”

CapCreus online: “Captain John Peter Moore, wir danken für das Gespräch.”

 

 

 

 

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